- spanische Musik.
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Erste Zeugnisse sind durch röm. Geschichtsschreiber sowie durch Musik- und Tanzdarstellungen auf Vasenbildern überliefert. Die seit der Antike einander folgenden Besetzungen der Iberischen Halbinsel oder einzelner Gebiete durch Phöniker, Griechen, Römer, Goten und Araber haben die bodenständige Musiktradition mehr oder weniger stark beeinflusst. In der arabischen Zeit wurden die Musikinstrumente Duff (Rahmentrommel), Kanun (Psalterium), Naqqara (Pauke), Nafir (Längstrompete), Rebec (Streichinstrument), Tabl (Trommel) und Ud (Laute) übernommen und verbreiteten sich über ganz Europa. Hymnen des Spaniers Prudentius Clemens (4. Jahrhundert) fanden Eingang in die christliche Liturgie. Im 6. und 7. Jahrhundert war das Gesangsrepertoire der mozarabischen Liturgie (mozarabischer Gesang) mit besonderen Zentren seiner Pflege u. a. in Saragossa, Segovia und Toledo voll ausgebildet (erhaltene Handschriften aus dem 9.-11. Jahrhundert); es wurde 1085 vom gregorianischen Gesang weitgehend abgelöst. Vielfach bezeugt ist eine reiche Musikpflege im Kalifat von Córdoba sowie an den späteren christlichen Höfen. Sie spiegelt sich in der ein- und mehrstimmigen Überlieferung des 12. Jahrhunderts von Santiago de Compostela (»Codex Calixtinus«) ebenso wie in der im 12. Jahrhundert einsetzenden Bewegung der Trobadors (Troubadour) und den »Cantigas de Santa María« von Alfons X., dem Weisen (neben den Gesängen zahlreiche Musikdarstellungen in den Miniaturen der Handschrift). Die Vertrautheit mit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit im 13. Jahrhundert erweist der »Codex Las Huelgas« (aus dem Zisterzienserinnenkloster Las Huelgas). Wichtige Liedformen des 14.-17. Jahrhunderts waren Canción, Romance und Villancico (gesammelt u. a. im »Cancioneiro musical de Palacio«). Nach dem großen Musiktheoretiker Ramos de Pareja (* um 1440, ✝ 1491) traten um 1500 Pedro de Escobar (✝ um 1514) und J. del Encina als international bekannte Komponisten hervor. Die hohe Blüte der spanischen Musik im 16. Jahrhundert belegen die Namen von A. de Cabezón, C. Morales, Bartolomé Escobedo (* um 1500, ✝ 1563), Diego Ortiz (* um 1510, ✝ um 1570), Tomás de Santa María (* 1510/20, ✝ 1570), Francisco de Salinas (* 1513, ✝ 1590) und Francisco Guerrero (* 1528, ✝ 1599), in der Lauten- und Gitarren-(Vihuela-)Musik die Tabulaturen von Luis de Milán (* um 1500, ✝ um 1561), Miguel de Fuenllana (✝ nach 1568) und Juan Bermudo (* um 1510, ✝ 1565). Während T. L. de Victoria den Palestrina-Stil vertrat, bekämpfte sein Zeitgenosse Fernando de las Infantas (* 1534, ✝ um 1610) die von Palestrina eingeleitete Reform des liturgischen Choralgesangs. Wie überall wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch in der spanischen Musik ein starker italienischer Einfluss wirksam, der sich in mehrchöriger Kirchenmusik (z. B. von Juan Pablo (Joan Pau) Pujol, * 1573, ✝ 1626) ebenso niederschlug wie im raschen Vordringen der instrumentalbegleiteten Monodie. In der Zarzuela mit ihren Musikeinlagen brachte Spanien einen eigenen Beitrag zu den Bühnenwerken des 17.-18. Jahrhunderts. Die Stärke der spanischen Orgelmusik dokumentierte sich u. a. in den Kompositionen von Francisco Correa de Arauxo (* 1576/77, ✝ 1654) und Juan Cabanilles (* 1644, ✝ 1712). Im 18. Jahrhundert verstärkten die Italiener ihren Einfluss als Opernkomponisten, Sänger, Cembalisten und Kammermusiker. In Zarzuela und Tonadilla, die jetzt an Singspiel und Opera buffa anknüpften, blieben aber spanische Elemente weiter lebendig. Als hervortretende Komponisten dieser Zeit sind zu nennen: David Pérez (* 1711, ✝ 1778), Domingo (Domènec) Terradellas (* 1713, ✝ 1751), Antonio (Antoni) Soler (* 1729, ✝ 1783) und V. Martín y Soler. Einerseits zeigte sich der große Einfluss der Wiener Schule, u. a. in der starken Ausprägung des klassischen Stils beim früh vollendeten Juan Crisóstomo de Arriaga y Balzola (* 1806, ✝ 1826). Andererseits drang das Kolorit spanischer Formen (nach Folia, Sarabande, Passacaglia seit dem 16.-17. Jahrhundert nun Bolero, Fandango, Flamenco, Malagueña, Seguidilla, Zapateado) in die europäische Musik ein. Mit Francisco Asenjo Barbieri (* 1823, ✝ 1894), Enrique Fernández Arbós (* 1863, ✝ 1939), v. a. aber mit dem Wirken von F. Pedrell verbanden sich im 19. Jahrhundert nationalspanische Tendenzen, die bis in die Gegenwart lebendig blieben. Neben den auch hier spürbaren Einfluss R. Wagners trat um und nach 1900 der der französischen Musik, wie er etwa in Kompositionen von I. Albéniz, E. Granados y Campiña, M. de Falla, J. Turina und O. Esplá y Triary deutlich wird. Zunächst noch der spanischen Tradition verpflichtet waren Rodolfo (* 1900, ✝ 1987) und Ernesto (* 1905, ✝ 1989) Halffter, zu deren Generation auch J. Rodrigo gehört, während ihr Neffe C. Halffter Jiménez, der wie auch José Luis de Delás (* 1928) am elektronischen Studio der Universität Utrecht arbeitete, den Anschluss an die europäische Avantgarde herstellte. Ein weiterer Exponent der neuen Musik ist Ramón Barce (* 1928), der 1958 die Gruppe »Nueva Música« gründete. Über die Grenzen des Landes hinaus wurden ferner bekannt Xavier Benguerel (* 1931), José (Josep) Soler (* 1935) und T. Marco, ferner José (Josep) María Mestres Quadreny (* 1929), Luis de Pablo Costales (* 1930) und Enrique (Enric) Raxach (* 1932; erwarb die niederländische Staatsangehörigkeit) sowie aus jüngster Zeit Francisco Guerrero (* 1951, ✝ 1997) und José Ramón Encinar (* 1954).Die spanische Volksmusik hat regional sehr unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Ein breites, mündlich überliefertes Volksliedrepertoire reicht mit Romances bis in das Mittelalter zurück. Aus Andalusien stammt der Flamenco, der in der Kunstmusik allgemein zur Charakterisierung spanischen Musik verwendet wird. Aragonien ist durch die Jota, das Baskenland durch Aurresku und Zortziko bekannt. In Katalonien wird die von der Cobla-Kapelle begleitete Sardana getanzt. - Für Nordspanien ist die Sackpfeife (Gaita) ein typisches Instrument. Über Nord- und Zentralspanien sind Einhandflöte und Trommel (Flabiol und Tambor) sowie verschiedene Schalmeien (Chirimía und Dulzaina), über ganz Spanien Gitarre (Vihuela) und Kastagnetten, ferner das Tamburin verbreitet.H. Anglès: La música en la corte de Carlos V (ebd. 21965);T. Marco: Música española de vanguardia (Madrid 1970);R. A. Pelinski: Die weltl. Vokalmusik Spaniens am Anfang des 17. Jh. (1971);A. Fernández-Cid: La música española en el siglo XX (Madrid 1973);Historia de la música española, hg. v. P. López de Osaba, auf mehrere Bde. ber. (Madrid 1983 ff.);K. Pahlen: Manuel de Falla u. die Musik in Spanien (Neuausg. 1994).
Universal-Lexikon. 2012.